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Es waren ihrer Zwölf, aus dem New Yorker Adreßbuch zu einem Mordprozeß
aufgeboten und dazu vergattert, einen einstimmigen Schiedsspruch zu fällen -
schuldig oder nicht schuldig. Aus vielerlei Motiven machen sie es sich anfangs leicht,
aber sie haben nicht mit dem Widerspruch eines Einzelgängers gerechnet...
Aus dem Programmheft:
Vor Zwölf aus dem New Yorker Adreßbuch hockt sich der Staat vertrauensvoll
und stolz wie ein Vater vor das kleine mündige Kind, um ihm die zuvor gegebene
Verantwortung zurückzureichen wie einen zu schweren langstieligen Lolly, mit dem
es dennoch vorher fasziniert geliebäugelt hat. Zuckersüß schmeckt die
zu leckende Verantwortung, doch sie ist schlecht für die Zähne, wenn man
den Mund damit zu voll nimmt - dann sieht man nur noch schwarz, wenn der Mund eines
Geschworenen sich öffnet. Hier wird die Demokratie aus der Dogmatik des
richterlichen Gesetzbuchs gerissen und in einen kleinen stickigen Raum an der Front
geschickt. Ohne das Kostüm der Richtigkeit wird die verunsicherte Demokratie von
den Fühlern der Geschworenen abgetatscht, bis ein Schneckenrennen beginnt, um
einen Teil davon für sich abzubekommen. Um die Demokratie streitend geht sie kaputt,
bröselt in großen Brocken der Meinungs- und Redefreiheit auseinander. In einem
Machtspiel der Rhetorik öffnet jeder seine Poren und leert sie scheinbar
konsequenzlos in der Anonymität dieser Runde. Der großgemischte
Erfahrungshaufen der Geschworenen wird nun neu von den unterentwickelten Fühlern
der Anwesenden abgetastet, die sich dann davon distanzierend in ihre
Schneckenhäuser verkriechen. Die Aufgabe des Zuschauers nach dem Stück wird
sein, das in Frage zu stellen, was hier nicht getan wurde: Ist die Tötung eines
Menschen moralisch zu verkraften? Und die wichtigste Kontrollinstanz einer
Entscheidung, das Gewissen, wird darauf achten, daß eine Fehlentscheidung sich nicht
polternd als großer grauer Block in der Zeit aufrichten wird, der niemals
verschwindet |
Offenbach-Post, 6. Mai 1999Zwölf Geschworene im GemeindesaalKirchenmäuse zeigen TheaterstückBürgel (mk) - Nach einer längeren Pause melden sich die Kirchenmäuse der Gustav-Adolf-Gemeinde wieder zurück auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Nachdem das Musical "Jesus Christ Superstar" wegen der Problematik um die Aufführungsrechte im November 1998 leider abgesagt werden mußte, führt die Bürgeler Theatergruppe im Mai ein neues Theaterstück auf. Dieses Jahr werden die Zuschauer mit einem Stück überrascht, das schon weltweit in Filmen und Theaterinszenierungen für große Resonanz gesorgt hat. Nun wagen sich die Mäuse an "Die zwölf Geschworenen", von Reginald Rose in der Bühnenfassung von Horst Budjuhn. Aus dem New Yorker Adressbuch werden zwölf Personen zu einem Mordprozeß aufgeboten und dazu vergattert, einen Schiedsspruch zu fällen. Schuldig oder nicht schuldig - das ist die Frage. Wenn am Ende zwölf zerstrittene Menschen sich nun doch zu ihrem Grundrecht bekannt haben, zweifeln zu dürfen, so ist jeder in das Labyrinth irdischer Gerechtigkeit mit verstrickt.
Ein spannendes und überraschendes Stück, das viele Fragen stellt
und nach Antworten sucht. Die Aufführungen sind am 27., 28. und 29.
Mai jeweils um 19.30 Uhr im Gemeindesaal der Gustav-Adolf-Gemeinde,
Langstraße 62. Der Eintritt zu dem Stück ist frei.
Offenbach-Post, 3. Juni 1999SCHULDIGoder nicht? Nach längerer Pause meldeten sich die Kirchenmäuse der Gustav-Adolf-Gemeinde zurück im Theater. Diese Jahr wurden Zuschauer in Bürgel mit einem Stück überrascht, das schon in Filmen und Inszenierungen bestach: "Die zwölf Geschworenen" von Reginald Rose in der Bühnenfassung von Horst Budjuhn. |
Zwölf Bürger New Yorks sollen darüber entscheiden, ob der junge Angeklagte schuldig ist oder nicht. Alle sind davon überzeugt, daß er seinen Vater umgebracht hat und zögern nicht, ihn zu verurteilen und damit in den Tod zu schicken. Nur einer hat Zweifel und hebt seine Hand für "nicht schuldig": die Nr. 8. |
Das kann die Nr. 7 (links) überhaupt nicht verstehen. Der begeisterte Yankee-Fan hat nämlich überhaupt keine Lust, im Gericht herumzusitzen, und möchte viel lieber zum Baseballspiel. |
Für die Nr. 10 (rechts) besteht überhaupt kein Zweifel an der Schuld des Angeklagten. Demgegenüber läßt sich die Nr. 9 - der alte Herr - (links) bald umstimmen und schließt sich als erster der Nr. 8 an. |
Die verbitterte Nr. 3 (links) steht ganz auf der Seite von Nr. 10 und beherrscht die Diskussion. Mit dem Widerspruch der Nr. 5 (rechts), die früher in ähnlichen Verhältnissen gelebt hat wie der Angeklagte, hat er jedoch nicht gerechnet. |
Der Obmann (Mitte) hat alle Hände voll zu tun, die Diskussion zu leiten und Gewalttätigkeiten zwischen den erhitzten Gemütern zu verhindern, nachdem ein zweites Exemplar der angeblich völlig einmaligen Mordwaffe aufgetaucht ist. |
Bald läßt sich auch die Nr. 11 umstimmen, die als Flüchtling aus einem anderen Land immer auf der Seite der Verfolgten steht. |
Kann der Zeuge mit dem lahmen Bein es überhaupt rechtzeitig geschafft haben, von seinem Bett zur Wohnungstür zu kommen und den Angeklagten flüchten zu sehen? Also probiert man es aus. |
Und kann man jemanden von oben erstechen, der einen halben Kopf größer ist als man selbst? Die Nr. 3 erklärt sich gerne bereit, dies an der Nr. 8 zu demonstrieren. |
Nachdem dies geklärt ist, offenbart sich die Nr. 5: Sie kennt sich mit Messerstechereien aus und weiß, daß nur ein Anfänger von oben zustechen würde. Wie paßt also die Einstichwunde zu den Erfahrungen des Angeklagten? |
Die Nr. 10 kann nicht glauben, wieviel Zeit man mit der Diskussion über die dermaßen offensichtliche Schuld des Angeklagten verschwenden kann. Die Nr. 12 hingegen (hinten im Waschraum) kann sich nicht entscheiden, auf welcher Seite sie steht. |
Zuletzt stehen "drei Standhafte" - die Nr. 10, die Nr. 4 und die Nr. 3 - gegen "neun Wortklauber". Doch dann stellt sich die Frage, wie die Zeugin aus der Wohnung gegenüber den Mord ohne ihre Brille gesehen haben kann. So geben sich schließlich auch die Nr. 4 und die Nr. 10 geschlagen. |
Nachdem die Nr. 3, die ihren Schuldspruch nur wegen traumatischer Erfahrungen mit ihrem Sohn aufrechterhalten hat, zusammengebrochen ist, kann dem Richter der Freispruch verkündet und damit das Stück beendet werden. |
© für alle Bilder: Theatergruppe Kirchenmäuse
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